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Die Uhu-Story
 

Der Einzug
 

...In der Dannenberger Altstadt gab es einmal einen Hausbrand. Ein Unglück.

Ein Glück war, dass dabei niemand dramatisch zu Schaden kam.

Ein Glück war auch, dass zwei Uhus den Dachstuhl der Brandruine als ihren Nistplatz auserkoren haben.

So begann eine einzigartige, spannende, und auch ein wenig traurige Geschichte von den Dannenberger Uhus, die nicht nur die Dannenberger in ihren Bann zogen.

 

Das Unglück der einen wurde zum Glück der anderen : Den Uhus bot sich ein geräumiger und geschützter Raum, ein Nest zu bauen.

Das wegen Einsturzgefahr abgesperrte Gebäude gefiel den neuen Bewohnern sehr.

Die Lage, mitten in der Altstadt, nur wenige Meter vom mächtigen Geläut der Kirchenglocken, störte die Uhus nicht bei ihrem Vorhaben.

Das Nest wurde gebaut.

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Das Dach lebt.

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Die Brutphase verläuft wenig spektakulär. Die Mutter legte drei Eier und verweilte auf dem Nest,

während der Papa für die Verpflegung sorgte. Kaum jemand bekam zu dieser Zeit mit, dass die Ruine zwar abgebrannt,  jedoch nicht ohne Leben war.

Die Uhus verhielten sich unauffällig- nur abends in der Dämmerung konnte man den Uhu-Papa kurz zu Gesicht bekommen, wenn er sein frisch Erbeutetes der Uhu-Mutter ins Nest brachte.

Der Uhu-Papa war, wie es sich für einen Mann gehört, ein sehr schicker Vogel: Eine helle Federkrawatte schmückte seinen Hals.

Wie ein Geist tauchte er immer wieder plötzlich aus dem Nichts auf, im lautlosen Gleitflug am nahen Kirchturm vorbei, begleitet vom typischen Ruf : ´´Uhuhuuu...´´, in den Fängen immer etwas Essbares. Er wich den verkohlten Dachsparren mit akrobatischer Wendigkeit aus, und verschwand im Dachboden...

So wie er plötzlich auftauchte, so verschwand er auch wieder in der Dunkelheit. Der Anblick seiner ausgebreiteten Flügel erweckte Respekt bei jedem, der das Glück hatte, ihn im Flug zu sehen. Die Zeit verging. Die Küken schlüpften, drei an der Zahl.

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Der Uhu-Papa fütterte unermüdlich, und bald schon waren sie so weit herangewachsen, dass sie das Nest verließen :

In der Abendsonne sah man orangefarbene Augenpaare, funkelnd wie Juwelen, wenn die drei Jungvögel, auf der Pfette zwischen den Dachsparren sitzend, in Richtung Sonnenuntergang blinzelten.

Die Federn wurden länger, die Ausflüge mutiger, und die Neugier immer größer. Die weite Welt lockte.

Von der Dachbodenkante eröffnete sich den ´´Küken´´ ein idealer Blick auf die Welt dort unten.

Eines Tages wagte der mutigste der Jungvögel den Abflug von der Dachkante, und er landete unversehrt unten auf dem Vorplatz der Kirche.

War er gesprungen oder gefallen ? Vielleicht etwas von beiden.

Der Vorfall blieb nicht lang unbemerkt : ´´Ein Uhu-Küken ist aus dem Nest gefallen !´´

Es wurde eine Rettungsaktion eingeleitet. Das Gelände wurde von der Polizei abgesperrt. Ein Feuerwehreinsatz mit langer Leiter folgte.

Schaulustige versammelten sich, endlich war etwas los in Dannenberg !

Der kleine Uhu wurde behutsam in einen Karton gesetzt, und unter dem Beifall der Zuschauer trug ihn ein Feuerwehrmann nach oben

und ließ ihn im Dachboden wieder frei. Die Freude währte jedoch nicht lang :

Nachdem die Helfer sich zurückgezogen hatten und wieder Ruhe eingekehrt war, wiederholte vermutlich der selbe Jungvogel den Absprung, und landete wiederum auf dem Kirch-Vorplatz...

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Es folgte ein spannendes Kapitel der Uhu- Story :  Die Uhus auf Wanderschaft...

Uhus auf Wanderschaft.

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Landet man auf dem ´´Boden der Tatsachen´´,  gelangt man zu Erkenntnissen. So auch der kleine Uhu : Der Flug nach unten ist einfacher, als der Weg zurück ins Nest.

Die Kräfte reichten dazu noch nicht aus, das Gefieder war noch mehr Flaum als Feder, der Greifvogel sah noch wie ein ´´Kuschel- Uhu´´ aus. Der große runde Kopf, zwei große, glänzende Augen, fast wie ein Teddybär, rundeten das irgendwie niedliche Erscheinungsbild ab. Aber der Schnabel, wie auch die großen, behaarten Fänge, ließen schon den mächtigen Beutegreifer erahnen, vor dem sich sogar Fuchs und Igel fürchten müssen.

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Der nun auf dem Kirchvorplatz gelandete Jung- Uhu schaffte es nicht mehr nach oben. So machte er sich

zu Fuß auf Wanderschaft. Es ging erstmal zur kleinen Griechischen Weinstube, Bänke und Stühle konnte er mit einem Flügelschlag

leicht bewältigen. Als wär es ein Spielplatz, so übte er nun sein Hüpf- und Fluggeschick, so dass er bald benachbarte Terrassen

und Balkone erkunden konnte. Die bevorzugte Fortbewegung blieb dabei die eines Fußgängers. So sah man ihn

mal bei der Weinstube, mal beim Pfarramt: Die Pfarramts- Mitarbeiter staunten nicht schlecht, als in der geöffneten Tür

plötzlich ein Uhu stand und neugierige Blicke ins Büro warf !

Jemand fand auch einen Namen :  Wegen seiner Abenteuerlust wurde er nun ´´Trapper John´´ genannt.

Bei den folgenden Ausflügen erkundete er nun den Marktplatz, die Polizeiwache, und das Restaurant am Platz.

Sein Erscheinen erregte Begeisterung, und manchmal Irritation -  Handys wurden gezückt und Fotos geschossen.

All das beunruhigte den Jung-Uhu wenig, fast schien er sich in der Rolle eines ´´Top-Models´´ wohl zu fühlen.

Einmal saß er wohl den ganzen Tag auf einer kleinen Mauer am Schlossgraben und beobachtete die Passanten

auf Augenhöhe, ließ sich auch durch gelegentlich vorbeifahrende Autos nicht stören.

Ich hatte das Glück, ihn aus nächster Nähe zu erleben : An dem Tag saß er in einer Nische an der Kirche.

Mit einem 500 mm Objektiv machte ich Aufnahmen aus respektvollem Abstand. Der ´´Trapper John´´ ging jedoch plötzlich auf mich zu, und blieb dann in 2 Metern Abstand vor mir stehen. Mir stockte der Atem.

Ich setzte mich auf den Kopfstein- gepflasterten Boden und legte die Kamera neben mich. Die Distanz war jetzt zu klein, um mit meiner Kameraoptik Fotos zu machen.

Hinter mir stand ein junger Kollege, Max, dem ich zuflüsterte :

    ´´Max, mach ein Foto, bitte ein Foto...´´.

So entstand das Foto mit dem Uhu und mir daneben, auf dem Boden sitzend. Ein einmaliges Andenken für mich- Danke Max !

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Mittlerweile habe ich täglich mehrere Stunden bei den Uhus verbracht. Dennoch ist mir der Moment entgangen, als das zweite Küken entgültig das Nest verließ, um sich dem ´´Trapper John´´ anzuschließen.
Auch dieses erhielt, nach Art des Hauses, seinen Namen : Oskar.
Nun hatten wir zwei junge Uhus, die für Unterhaltung sorgten. Der kleinste der drei wurde ´´Puschel´´ getauft, noch ehe er sich hinauswagte. Etwa zu jener Zeit verließ die Uhu- Mutter ihr Nest und bezog dauerhaft Posten in einer Dachnische des Kirchdaches, von wo aus sie immer ein wachsames Auge auf ihre Küken behalten konnte.
Wie ein Monument aus Stein saß sie reglos auf dem Kirchdach, und mit stoischer Ruhe trotzte sie Sonne, Sturm und Regen.
Von unten glaubte man oft, dass sie schlief. Mit Fernglas oder Teleobjektiv konnte man aber erkennen, dass sie immer wieder ein Auge leicht öffnete- sie hatte das Geschehen dort unten immer unter Kontrolle.

Die jungen Uhus wurden sorgfältig betreut und gefüttert, wo sie sich auch gerade aufhielten. Wenn der Uhu- Papa mit Beute kam, kündigte sich das schon im Voraus an : Die Jungen wurden unruhig, kreischten, und versuchten, mittels ihrer geübten Hüpftechnik zum gewohnten Fütterungsplatz im Dachboden zu gelangen. Ob ihnen dies glückte oder nicht, jeder bekam etwas ab.


 

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Die Flugversuche wurden immer erfolgreicher. Die Kleinen konnten immer längere Strecken bewältigen, und schon von Dach zu Dach fliegen. Die Landung gelang nicht immer, ich habe etliche ´´Bruchlandungen´´ beobachten können, als auch der Schnabel zum Einsatz kam, um einen sicheren Halt zu gewinnen. Die jungen Uhus gelangten zu der Erkenntnis, dass man auf einer Dachschräge nur schlecht landen kann, um so weniger, wenn die Dachpfannen vom Regen nass sind. Mehrere solcher missglückten Landungen endeten unten auf dem Vorplatz der Kirche. Die Uhus lernten, dass es leichter ist, auf einem Balken oder einem Ast zu landen.

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Inzwischen nahmen die Uhus auch die unteren Etagen der Brandruine in Besitz, und wie in einem Kasperle- Theater tauchen sie abwechselnd mal in einem, mal im anderen Fenster auf. Die verkohlten Fensterrahmen gaben den passenden Rahmen für die kleinen Schauspieler, die auch gleichzeitig Zuschauer waren. Ein einzigartiger Anblick in einmaligem Ambiente !

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 ´´ Uhus zu Tisch, bitte !´´

Nun komme ich zu einem Thema, das recht unterschiedlich empfunden werden kann: Das Menue unserer Lieblinge.
Der eine oder andere mag wohl sagen, dass es brutal, gar ekelig sei, den Uhus beim Speisen zuzuschauen. 
So kuschelig und niedlich die jungen Uhus aussehen mögen, es sind Greifvögel, von Biologen auch ´´Raptoren´´ genannt, und dieser Bezeichnung werden sie durchaus gerecht. ....Es ist, wie es ist : Neben Seeadler und Steinadler gehören sie zu 
unseren größten Greifvögeln, von Laien auch als ´´Raubvögel´´ bezeichnet.
Ganz oben auf dem Speiseplan unserer Uhus stehen Tauben, Krähen und Dolen. Aus dem Straßenverkehr wissen wir, dass diese sich gelegentlich sehr unbehände und ungeschickt bewegen, so dass sie leider oft überfahren werden. Krähen und Dohlen etwa verhalten sich im Umgang mit der drohenden Gefahr eines nahenden Fahrzeuges viel geschickter, auch bei höherer Geschwindigkeit.

Ich hatte das Glück, eine Jagdszene der Uhu- Eltern zu beobachten und mit der Kamera festzuhalten. Es sind kurze Augenblicke, mittels sehr kurzer Verschlusszeit eingefroren, die mit bloßem Auge kaum wahrnehmbar wären.

 

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An dem Tag war ich dabei, als zwei Tauben in der alten Eiche an der Kirche turtelten, in unmittelbarer Nähe zu den Uhus.Im Gleitflug stürzte plötzlich ein mächtiger Schatten vom Kirchturm in die Eiche, und im nächsten Moment saß der große Uhu auf einem der Dächer neben der Kirche, eine Taube in den Fängen. Mit meiner Kamera schaffte ich es gerade so, die Uhu- Mutter mit Taube im Flug zu erwischen. Ich hielt den Auslöser fest, und so schoss ich mehrere Serien des Dramas. Ich war höchst zufrieden mit meiner Ausbeute, und die jungen Uhus freuten sich auf ihr Abendessen.

Nun kommen wir zu einer weiteren Lieblingsspeise der Uhus : dem Igel !
Viele natürliche Feinde hat ein Igel nicht. Die größte Gefahr stellt für ihn der Dachs, und eben der Uhu dar. Mit seinen riesigen Fängen und langen Krallen kann ein Uhu einen vollständig eingekugelten Igel packen. Davon wurde ich überzeugt, als ich etliche male den Uhu- Vater mit einem Igel als Beute ankommen sah. 
Eine Taube für die drei hungrigen  ´´halbstarken´´ Uhus könnte man eher als einen  ´´Snack´´ bezeichnen.
Ein Igel ist dagegen schon ein größerer Happen. Es gelang mir auch, den Uhu- Vater mit Igel in den Fängen zu fotografieren, ein imposanter Anblick.
Auch ein Hase, ein kleiner Fuchs, eine Bisamratte und weitere kleine Säugetiere wurden schon auf dem Uhu-Tisch gesichtet.

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Dimitros, der Inhaber einer kleinen gemütlichen Weinstube direkt an der Kirche, war mir eine willkommene Hilfe:
Kam ich am frühen Abend auf den Kirchplatz, berichtete mir Dimitros ausführlich von den Uhu- Aktivitäten des Tages.
Aus seiner Wohnung über der Weinstube hatte er den besten Blick auf das Geschehen. Kaum etwas entging seiner Aufmerksamkeit.

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Der Nachkömmling

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Ein trauriges Kapitel betrifft den Jüngsten der Uhu-Küken.

Als letzter verließ er das Nest, und wackelte den beiden Älteren immer etwas hinterher. Oft bekam er erst als letzter etwas zu fressen. Dennoch konnte auch er bald seine Kräfte bei kurzen Ausflügen ausprobieren. Der Vater gestaltete die Fütterungen zunehmend in der Weise, dass die Heranwachsenden ihre Flügel benutzen mussten, um an das Futter zu gelangen.

Er kündigte sein Ankommen mit dem typischen ´´Uhuhuu´´ an, flog nun aber auf ein benachbartes Dach, so dass die Heranwachsenden Küken zu ihm fliegen mussten. Das wiederholte er mehrmals, bis er den Fang übergab.

Die Jungen wurden zu Flugübungen animiert. Dabei geriet der Jüngste, der Nachkömmling, immer etwas ins Hintertreffen, wenn er, mehr hüpfend als fliegend, endlich auch den Futterplatz erreichte.

Auf dem Weg dahin, immer den anderen hinterher, krächzte er laut, als wollte er rufen : ´´Wartet auf mich´´!

Von ihm hatte ich auch die netten Fotos gemacht, wenn er oft durch das kaputte Fenster der Brandruine Ausschau hielt. Dann jedoch wurde er eines Tages verletzt auf dem Boden aufgefunden, offensichtlich von einem Tier angegriffen.

Eine Tierärztin untersuchte ihn, und musste ihn schließlich einschläfern.

Die Geschichte geht zu Ende

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September. Die Sprösslinge sind mittlerweile herangewachsen. Eigentlich haben sie schon die Größe erwachsener Uhus erreicht. Es wurde immer schwieriger, sie von den Erwachsenen zu unterscheiden. Auch die Eltern haben sich ein wenig verändert, was ihr Verhalten betrifft. Sie ließen sich immer weniger blicken, immer seltener konnte ich die Fütterung der Jungen beobachten.

So wurden die Jungvögel ermuntert, eigene Jagdversuche zu unternehmen. Hin und wieder versuchten sie,

sich an eine potentielle Beute heranzupirschen, mal eine Katze aus der Nachbarschaft, mal eine Krähe.

Lange blieb es nur beim Versuch. Auch konnte ich beobachten, wie die beiden Jungvögel nach dem Tod des dritten stärker zusammenrückten.

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Sie waren nahezu unzertrennlich. So unternahmen sie auch die Jagdversuche immer zusammen.

Mit einer gewissen Taktik der ´´Einkreisung´´ versuchten sie, eine Taube in die Enge zu treiben.

Bald traten die ersten Erfolge solcher Jagdübungen ein. Die Aktivitäten verschoben sich immer weiter

in die abendliche Dunkelheit. So wurde es auch immer schwieriger für mich, Fotos zu machen.

Auch die gleichgesinnten ´´Stammbeobachter´´, die mir oft Gesellschaft geleistet hatten, wurden weniger.

Geblieben sind immerhin neue Bekanntschaften und Freundschaften, die sich dank der Uhus fanden,

Menschen, die sich nicht gesucht, aber gefunden haben.

Zbigniew Jodlowski

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